Hockey International

Novum in Den Haag: Zwei Teams, ein Coach – „kein Problem“!

Carlos Retegui coacht Argentiniens Damen und Herren beim WM-Turnier

 

02.06.2014 - Der Hockeysport bringt einem ja immer wieder überraschende und einzigartige Geschichten. So auch bei den Weltmeisterschaften in Den Haag: Man stelle sich vor, dass Markus Weise seine ersten beiden Olympiasiege mit den Damen und Herren nicht bei zwei aufeinander folgenden Turnieren geholt hätte, sondern bei einem einzigen... Kaum vorstellbar, dass ein Trainer bei einem WM-Turnier sowohl das Damen- als auch das Herren-Team auf hohem Niveau betreut. Gegeben hat es das im internationalen Hockey nach einhelliger Meinung der anwesenden Journalisten wohl noch nie. Der „Pionier“ in dieser wohl eher kuriosen Disziplin heißt Carlos Retegui und steht im eindrucksvollen Rund des Kyocera Stadiums zu Den Haag sowohl bei den Spielen der argentinischen „Las Leonas“, immerhin Titelverteidiger im Damen-Klassement, als auch bei den ambitionierten argentinischen Herren als hauptverantwortlicher Übungsleiter an der Seitenlinie.

Ein stressiger Job, möchte man meinen. Doch der 44-Jährige aus Buenos Aires bemüht sich, die Doppelbelastung herunterzuspielen. „Für mich ist das kein Stress, weil ich meine Aufgabe mit Passion mache. Ich liebe Hockey und würde am liebsten 24 Stunden auf dem Platz stehen. Das ist doch das Beste, was mir in meinem Leben passieren konnte“, diktiert Chapa, wie der Coach auch genannt wird, uns in den Block. Merkwürdig nur, dass er das beinahe im Laufschritt tut und selbst argentinische Journalisten in Reihe hinter dem zum nächsten Termin davon eilenden Doppel-Trainer herrennen.

Das Problem mit der Eile dürfte sich noch verschärfen, denn am Dienstag könnten sich die Partien seiner beiden Teams durchaus um ein paar Minuten überschneiden. Um 16 Uhr bekommen es die argentinischen Herren mit der DHB-Auswahl zu tun, und schon um 17.30 Uhr beginnt auf dem Nebenplatz die wichtige Partie der „Las Leonas“ gegen die starken US-Girls – wohl zunächst ohne den „spiritus rector“. „Kein Problem“, beteuert Retegui mit einem verschmitzten Lächeln erneut. „Erst betreue ich die Herren, dann die Damen – ganz einfach.“

„Kein Problem“ sei es auch, dass es doch unbestreitbar klare Unterschiede zwischen Damen- und Herrenhockey gebe. „Unser Ziel ist es, dass die ‚Las Leonas’ genauso spielen wie ein Männerteam.“ Ob sich nicht womöglich ein Team benachteiligt fühlen könne? „No!“ Doch wie ist es überhaupt zu dieser Situation gekommen? Im Jahr 2009 folgte Retegui, der sieben Jahre als Verteidiger für sein Land spielte und an drei Olympischen Spielen teilgenommen hatte, auf Gabriel Minadeo als Trainer der erfolgreichen Damen-Auswahl. Später übernahm er das Amt des Herren-Trainers.

Soweit ähnelt sich der Weg mit dem von Markus Weise ja. Doch Reteguis Nachfolger bei den Las Leonas hielt es offenbar nicht allzu lange auf der Bank, sodass die amtierenden Weltmeisterinnen Ende 2013, also knapp fünf Monate vor der WM, ohne Coach dastanden. Nun war guter Rat teuer. Und teuer – das wollte man in der finanziell nicht gerade auf Rosen gebetteten Confederacion Argentina de Hockey einerseits sicher vermeiden. Und außerdem kannte Retegui das aktuelle Damenteam ja noch bestens. Es stand also die kurze, intensive Vorbereitung auf ein WM-Turnier an, und der Verband sah in der Doppelfunktion für „Chapa“ Retegui kurzfristig die beste Lösung. Der sah in der Aufgabe – wie gesagt – quasi die Erfüllung seines Lebens und nahm gern an.

Mit Erfolg: Die Damen verbuchten im Auftaktspiel ein souveränes 4:1 gegen Südafrika, die Herren unterlagen zwar den Niederlanden in ihrem ersten Spiel mit 1:3, verlangten den Turnierfavoriten aber einiges ab. Wie es nach der WM für den Trainer weitergeht? „Keine Ahnung. Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht. Wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf das WM-Turnier, und danach werden wir sehen, welche Lösung es für die Zukunft gibt.“ Für Überraschungen ist man bei den Argentiniern ja immer gut – und Probleme, die werden einfach weggelächelt.

Foto: worldsportpics.com

 
31. Oktober 2024
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